Die neue, moderne Drive-In Lokomotivwerkstatt LOCMASTA (kurz für „Locomotive Maintenance Station“) in Gramatneusiedl steht kurz vor der offiziellen Inbetriebnahme. Der Startschuss fiel vor zwei Jahren, als die ÖBB Technische Services, die LTE (Logistics & Transport Europe) und die ELL (European Locomotive Leasing) gemeinsam das Joint Venture ETL Lokservice GmbH für den Betrieb eines Servicestützpunktes für Lokomotiven gründeten.
Am 8. April 2022 erhielt LOCMASTA offiziell das ECM-Zertifikat für die Instandhaltungserbringungsfunktion (ECM 4) gemäß der Durchführungsverordnung (EU) 2019/779. Herr Armin Wohlfahrter, Geschäftsführer der ETL Lokservice GmbH, und Herr Thomas Kollnig, Prokurist, waren an den Vorbereitungen und dem Zertifizierungsprozess maßgeblich beteiligt und sind auch zukünftig für die Einhaltung der ECM-Richtlinien verantwortlich. Im Interview haben sie uns Details zu den Herausforderungen verraten, die im Zuge der ECM-Zertifizierung auf eine „Newcomer“-Schienenfahrzeugwerkstatt zukommen.
Wie haben Sie sich auf die ECM-Zertifizierung vorbereitet und wie viel Zeit hat das in Anspruch genommen?
Beim Erstaudit Stufe 1, bei dem das Managementsystem im Vordergrund stand, haben wir stark von den vorangegangenen drei ISO-Zertifizierungen profitiert, die wir bereits im Dezember 2021 absolviert haben. Wir haben da in relativ kurzer Zeit und ohne operativen Betrieb die ISO 9001-, ISO 14001- und ISO 45001-Zertifizierungen gemacht. Somit hatten wir bereits ein Dokumentenlenkungssystem, ein Standardhandbuch, ein Managementhandbuch, Berichte und Kennzahlen, etc. – sprich es war schon sehr viel an Dokumentation vorhanden. Natürlich sind hier im Vorfeld mehrere Monate an Vorbereitungszeit hineingeflossen, wodurch aber für das Erstaudit Stufe 1 nur wenig zusätzliche Vorbereitung notwendig war – das Managementsystem und die Dokumentenlenkung waren ja bereits dank ISO etabliert.
Im Gegensatz zur ISO, bei der das System und dessen Verbesserungen gezeigt werden, nimmt ECM auch tatsächlichen Einfluss auf den Werkstattfloor. Das heißt, dass faktisch jede:r Mitarbeiter:in dieses System leben und füttern muss, damit es nachverfolgbar ist. Während ISO „nur“ das Managementsystem bewertet und dabei viel Interpretationsspielraum lässt, verursacht die Umsetzung der anspruchsvollen operativen Vorgaben aus der ECM-Verordnung deutlich mehr Aufwand.
Welchen Herausforderungen mussten Sie sich im Zertifizierungsprozess stellen?
Die Basis für die Zertifizierung bildet ja der Verordnungstext. Die große Herausforderung ist hier, dass dieser auf viele andere Themen Bezug nimmt. Man muss also als Unternehmen zusätzlich zur ECM-Verordnung auch ein Sicherheits- und Risikomanagement mitbetrachten und die notwendigen Systeme, Datenbanken sowie Ordner-/Ablagestrukturen usw. zur Verfügung stellen. Bevor LOCMASTA gegründet wurde, sind wir nur sehr oberflächlich mit der Entity in Charge of Maintenance-Verordnung in Berührung gekommen und daher war es auch nicht ganz einfach, sich in die sehr umfassende Thematik quasi von Null weg einzulesen.
Alles muss dokumentierbar sein und so abgebildet werden, dass es am Ende schlüssig ist. Gleichzeitig müssen die Vorgaben aber auch in der Praxis lebbar sein. Das ist die Schwierigkeit dabei. Wenn man das System nur um des Systems Willen aufrechterhält, wird man irgendwann ins Stolpern kommen. Es war eine Herausforderung, all diese Gedanken bereits beim Aufsetzen der Systeme zu berücksichtigen.
Als „Newcomer“ braucht man auch sehr viel Geduld. Man muss nämlich die gleichen Anforderungen erfüllen, wie eine Werkstatt, die bereits jahrelang in Betrieb ist. Es werden also bereits Mitarbeiter:innen beschäftigt und es fließen sehr viele Ressourcen hinein, noch bevor man überhaupt in Betrieb gehen darf – eben weil man das Zertifikat noch nicht hat. Das ist sowohl wirtschaftlich – für die Mitarbeiter:innen aber auch motivationstechnisch – eine Herausforderung. Aus diesem Grund war es uns auch besonders wichtig, die Mitarbeiter:innen für das Thema ECM zu sensibilisieren und das Bewusstsein dafür zu schaffen, was unsere Rolle als ECM 4 ist und wozu diese Prozesse da sind.
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Sie haben gerade die Bewusstseinsschaffung für ECM auf Mitarbeiter- und Mitarbeiterinnenebene angesprochen. Wie sind Sie hier vorgegangen?
Viele unserer Mitarbeiter:innen waren davor bei den ÖBB angestellt und haben daher bereits im ECM-Umfeld gearbeitet. Für einige ist es aber auch Neuland. Bei LOCMASTA haben wir die ECM-Strukturen von Grund auf neu konzipiert und haben daher auch den Anspruch, bei jedem/jeder einzelnen Mitarbeiter:in noch mehr Bewusstsein dafür schaffen zu wollen, als es vielleicht bei einem etablierten Unternehmen der Fall ist, das seit über 180 Jahren besteht. Da gibt es also schon einen gewissen Unterschied. Wir benötigen keinen Change-Prozess, sondern können unsere ECM-zentrierte Kultur vom Start weg leben, ganz ohne Vorbelastungen. Neue Mitarbeiter:innen lernen vom ersten Tag an, dass es bei LOCMASTA keine Kompromisse bei den Themen Sicherheit und Qualität gibt. Schlussendlich geht es darum, durch höchste Instandhaltungsstandards Schäden an Mensch und Maschine im Schienenverkehr zu vermeiden. Wir tragen also – auch im juristischen Sinne – als Lokwerkstatt eine sehr große Verantwortung.
Uns war es sehr wichtig, den Mitarbeiter:innen nicht nur zu zeigen, wie es funktioniert, sondern ihnen auch den Grund dahinter zu vermitteln. Besonders in den letzten Wochen haben wir ganz stark gemerkt, wie wichtig die laufende persönliche Kommunikation hier ist.
Wir ziehen für unsere Mitarbeiter:innen jene Informationen raus, die für sie einen Mehrwert bieten oder die von ihnen konkret anzuwenden sind und konfrontieren sie nicht mit dem ganzen System. Wir haben versucht, Verständnis dafür zu schaffen, dass es essenziell ist, alles genau zu dokumentieren, damit die Tätigkeiten, die an den Lokomotiven durchgeführt wurden, genau nachvollziehbar sind.
Bleiben wir beim Thema Dokumentation. Wie kommt LOCMASTA als ECM 4 ihren Dokumentationspflichten nach?
Das passiert in der Rail Workshop-Software von BOOM. Hier gibt es Checklisten, auf denen die Mitarbeiter:innen am Tablet die einzelnen, durchgeführten Prozesse aktiv abhaken müssen. Die ECM-Norm fordert ja zum Beispiel auch, dass es eine eigene Kennzahl gibt, die zeigt, wie viele Zwischenfälle es mit den durch uns instandgehaltenen Fahrzeugen gegeben hat – unsere oberste Prämisse ist, dass hier immer „Null“ steht. Aber falls es doch einmal einen Zwischenfall geben sollte, muss genau nachvollziehbar sein, wo die Fehlerquelle im Instandhaltungsprozess lag. Hier hilft uns die Softwarelösung von BOOM, einen wasserdichten und ECM-konformen Prozess zu haben, bei dem die Instandhaltungsvorgaben von A bis Z abgearbeitet werden.
Wie viel arbeiten Sie generell digital und was passiert noch am Papier?
Wir haben in allen Prozessen bis hin zu den Eingangs-/Ausgangsrechnungen darauf geachtet, dass wir ziemlich papierfrei unterwegs sind. Schon beim klassischen Belegfluss wird von Anfang an mit Scans gearbeitet. In der Softwarelösung von BOOM wird sowieso alles digital archiviert. Wir haben bei uns im Haus also die derzeit größtmögliche Digitalisierung und Automatisierung erreicht, möchte ich behaupten.
Was war der ausschlaggebende Grund dafür, dass Sie sich vor etwas mehr als einem Jahr für die BOOM Rail Solutions entschieden haben?
Wir hatten die einmalige Chance, von der grünen Wiese weg zu starten. Natürlich hätten wir auch gewisse Tools/Systeme von den Gesellschaftern, die LOCMASTA gegründet haben, übernehmen können, wir wollten aber bewusst, von Null beginnen. Wir hatten einen sehr straffen Zeitplan und das Customizing der bestehenden Tools hätte mehr Zeit in Anspruch genommen, als das von den Grundfunktionalitäten her fertige BOOM-Produkt zu implementieren.
Wir haben uns damals unterschiedliche Systeme angeschaut und uns am Ende für die Rail Workshop-Lösung von BOOM entschieden, weil es im Vergleich zu den Konkurrenzlösungen in Hinblick auf Digitalisierung, Automatisierung und Dokumentation ein relativ fertiges Produkt war. Auch wenn wir die detaillierten Anforderungen noch nicht kannten, hat uns die intuitive und benutzerfreundliche Oberfläche schnell überzeugt. Auch die Referenzen aus vergleichbaren Projekten waren für uns wichtig. BOOM hat auch innerhalb kürzester Zeit einen glaubwürdigen Zeitplan und ein transparentes Angebot vorgelegt. In anderen Unternehmen hätte dieser Auswahlprozess mehrere Monate in Anspruch genommen – BOOM hat aber flexibel und professionell auf unseren Zeitdruck reagiert, weshalb eine Entscheidung innerhalb weniger Wochen getroffen wurde.
Als uns BOOM beim Kick-off-Termin durch die Software geführt hat, ist mir persönlich zum ersten Mal richtig bewusst geworden, was es eigentlich heißt, ECM-konform arbeiten zu müssen – weil die Norm in den Rail Solutions ja zu 99% abgebildet ist und man dann sieht, was eigentlich alles dokumentiert werden muss.
Ein Ziel, dass während der Projektlaufzeit entstand, war die Systemreduktion. Denn wenn mehr Informationen in den BOOM Rail Solutions – also in einem System – abgebildet werden können, z. B. Qualifikationen oder benötigtes Material, dann spart man sich auf der anderen Seite mehrere Parallelsysteme. Dadurch werden der gesamte Prozess und die Dokumentation sicherer und schlanker. Hier sind dann also noch ergänzende Module und Customizings dazu gekommen.
Und der gemeinsame Weg mit BOOM ist auch noch nicht zu Ende. Jetzt wo wir die Zertifizierung in Händen halten, ist es für uns der nächste Schritt, dass wir die Softwarelösung wirklich im vollen Umfang nutzen. Auch daraus werden sich wieder neue Erkenntnisse ergeben. Die realen Erfahrungen im Echtbetrieb kommen jetzt natürlich erst. Wir erwarten uns, dass die wirklich kniffligen Fragen erst noch auftauchen werden – wahrscheinlich sind auch noch ein paar Anpassungen nötig.
Zusammenfassend hat sich der Einsatz der Software von BOOM als wirklich gute Entscheidung herauskristallisiert, das wurde uns auch vom Auditor bestätigt. Sie waren begeistert, als sie unser Auftragsmanager beispielhaft durch die Aufträge geführt hat und haben schnell erkannt, dass es eine lückenlose, ECM-konforme Dokumentation gibt – von den Qualifikationen, über die Messmittel bis hin zu den Materialen usw. In diesem Punkt haben wir uns durch den Einsatz der Lösung sicher viele Fragen erspart.
Inwiefern standen Ihnen die Experten und Expertinnen von BOOM in Bezug auf die Erreichung der ECM-Zertifizierung beratend zur Seite?
Wir hatten einige Workshops mit Helmut Hohenbichler und dann in weiterer Folge mit Christiane Hirzer, der Projektleiterin von BOOM, die uns ebenfalls sehr gut betreut hat. Wie zuvor bereits erwähnt, war es aus unserer Sicht ein gegenseitiges Beraten und Weiterentwickeln. Je tiefer wir im Laufe der Zeit mit der ECM-Materie vertraut waren, desto mehr konnten auch wir selbst beurteilen, welche Features in der Lösung für uns vielleicht noch fehlen, um noch ECM 4-konformer zu sein.
Während unserer Audits waren die Experten von BOOM immer auf „Standby“, um bei gezielten Fragen bis ins Detail zu erklären, wie das System funktioniert. Das war sehr überzeugend und es gab in Hinblick auf die Softwarelösung nie Rückfragen oder kritische Anmerkungen seitens der ECM-Zertifizierungsstelle.
Wo sehen Sie in Zukunft den größten Vorteil, den Sie durch den Einsatz der BOOM Rail Solutions haben werden?
Noch ein weiterer Grund, warum wir uns damals für die Lösung von BOOM entschieden haben, ist, dass sich auch einer unserer Gesellschafter, der auch einer unserer wesentlichen Kunden sein wird – nämlich die ELL – für die Lösung von BOOM entschieden hat. Und umgekehrt war es natürlich auch für die ELL ein Grund, dass wir uns für BOOM entschieden hatten.
Denn dadurch, dass die beiden Module Rail Workshop und Rail Asset so gut zusammenspielen, können die Auftragsdaten und Instandhaltungsvorgaben – sobald die ELL das System in Betrieb genommen hat – direkt im System übermittelt werden und wir müssen diese nicht mehr manuell eingeben. ECM-kritische Prozesse, wie die Dokumentation oder die Zurverfügungstellung der Instandhaltungsvorgaben, sind dann im System außerdem lückenlos nachweisbar. Das Risiko, was unterschiedliche Vorgaben oder Informationsstände betrifft, wird durch die BOOM Rail Solutions komplett minimiert. Da sprechen wir jetzt natürlich vom Idealszenario: Je mehr Kunden das Rail Asset Modul nutzen, desto besser für alle, die das Workshop Modul haben.
Und noch eine Frage zum Abschluss: Wie werden Sie den Erfolg feiern, jetzt wo Sie das ECM-Zertifikat endlich in Händen halten und LOCMASTA offiziell in Betrieb gehen darf?
Als wir am Freitag, den 8. April, das Zertifikat bekommen haben, sind wir am Montag in der Früh sofort hier her zur Werkstatt gefahren, haben alle „zusammengetrommelt“ und die Nachricht verkündet, dass wir nun endlich die Berechtigung haben, die notwendig ist, damit Lokomotiven wirklich in die Werkstatt kommen dürfen. Alle unsere Mitarbeiter:innen hatten nun lange Geduld und haben uns vertraut, dass alles nach Plan läuft und wir das notwendige ECM-Zertifikat erhalten werden. Das wollen wir gemeinsam feiern und werden daher alle zusammen Essen gehen. Das ganz große Eröffnungsevent, bei dem die Mitarbeiter:innen ebenfalls dabei sind, steigt am 20. Mai.
Setzen Sie sich in Ihrem Tagesgeschäft mit ähnlichen Themen auseinander und möchten gleich wie LOCMASTA diesen Herausforderungen entgegensteuern? Treten Sie mit unseren ECM-Spezialisten über ein formloses Email in Kontakt (railexperts@boomsoftware.com) und lassen Sie sich Ihre Möglichkeiten in einem kostenlosen Beratungsgespräch aufzeigen.
Bilder: © LOCMASTA
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